Mit dem Wechsel in eine andere Abteilung vor vier Monaten bekam sie auch einen neuen Vorgesetzten. „In Abteilungsmeetings setzt er mich durch seine ironischen Bemerkungen auf meine Wortbeiträge konstant vor den Kollegen herab; wenn wir einen Gesprächstermin haben, lässt er mich grundsätzlich mindestens 10 Minuten vor seinem Büro warten. Dann verändert er willkürlich das Gesprächsthema, so dass ich zu vielen Vorgängen unvorbereitet Stellung beziehen muss zu denen ich dann in der Tiefe des Sachverhaltes nichts beitragen kann. Das quittiert er dann wieder mit anzüglichen Bemerkungen. Ich bin mittlerweile so demotiviert und eingeschüchtert, dass ich mich selbst schon in Zweifel ziehe und nachts Alpträume habe. Am liebsten würde ich alles hinschmeißen!“
Ohne den Sachverhalt im Einzelnen zu kennen, denn jede Medaille hat ja mindestens zwei Seiten, kam mir der Gedanke sofort in den Kopf: „das könnte Bossing sein.“
„Bossing“ im Betrieb bezieht sich auf das Verhalten einer Person, die in einer Führungsposition arbeitet und ihre Untergebenen in einer autoritären oder abwertenden Art und Weise behandelt. Es kann sich auf das Ausgeben von Befehlen, das Ignorieren von Meinungen und Anregungen der Mitarbeiter oder das Ausüben von Druck auf die Mitarbeiter beziehen. Es kann auch das Gefühl vermitteln, dass die Meinungen und Anliegen der Mitarbeiter nicht wertgeschätzt werden. Auch ironische oder zynische Bemerkungen im Hinblick auf den Mitarbeiter komplettieren diesen Katalog der Grausamkeiten.
Da sich solches Verhalten negativ auf die Arbeitsmoral, die Zufriedenheit, auch die Gesundheit der Mitarbeiter auswirkt, schädigt Bossing langfristig nicht nur die Betroffenen, sondern auch das Unternehmen.
Ob Bossing arbeitsrechtlich belangt werden kann, hängt von den Umständen und dem genauen Verhalten ab. Wenn das Verhalten einer Person gegen geltende Gesetze oder Vorschriften verstößt, wie zum Beispiel das Arbeitsrecht, das Diskriminierungsverbot oder das Gesetz gegen sexuelle Belästigung, kann es als Mobbing gelten und arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Es ist wichtig zu beachten, dass es sich bei Bossing um ein komplexes Thema handelt und es empfehlenswert ist, sich an eine Vertrauensperson, einen arbeitsrechtlichen Experten oder eine Gewerkschaft zu wenden, um sicherzustellen, dass das Verhalten innerhalb der rechtlichen Grenzen bleibt und dass die Rechte der Mitarbeiter geschützt werden. Dabei sind alle Vorgänge zwecks Beweisbarkeit zu dokumentieren oder Zeugen zu benennen.
Es ist auch wichtig für Unternehmen ein klares und effektives internes Beschwerdeverfahren zu haben und sicherzustellen, dass Mitarbeiter wissen, dass und wie sie sich beschweren können, falls sie ein Problem haben. Bevor man allerdings ein vermeintliches Bossing öffentlich macht, sollte man versuchen, ein klärendes Gespräch auf direktem Wege zu führen.
Wer Probleme in der Phase ihres Entstehens anspricht, kann sie eher aus dem Weg räumen; zumal in vielen Fällen der Vorgesetzte sich seines verletzenden Verhaltens bewusst ist.
Wer offen anspricht was ihn kränkt duckt sich nicht weg und signalisiert damit, dass er sich nicht in die Opferrolle begeben will und bereit ist, sich zu wehren. Das zeugt von Stärke und erzeugt auf der anderen Seite Respekt.
In manchen Fällen kann es hilfreich sein, eine Vertrauensperson als Zeugen und neutralen Beobachter in die Gespräche einzubinden. Führen all diese Maßnahmen zu keiner Einigung oder Änderung der Zustände, sollte man schon aus Rücksicht auf sich selbst den Jobwechsel in Erwägung ziehen.