Sechs Regeln für die erfolgreiche Übernahme einer Führungsverantwortung.
Ein Freund, Personalentwickler bei einem Mittelständler, berichtete mir folgendes: Die Position der zentralen Personalentwicklung wurde neu besetzt; man wählte eine Bewerberin, die bisher in einem DAX Unternehmen, jedoch ohne Führungsverantwortung, tätig war. Als diese Person ihre Stelle antrat, begann sie, die Vorgehensweisen, Konzepte und Prozesse aus ihrem bisherigen Unternehmen auf den Verantwortungsbereich zu übertragen. Sie gab den eingesessenen Mitarbeitern das Gefühl, sie hätten in der Vergangenheit ihre Arbeit provinziell erledigt, in vielen Bereichen dilettantisch. Allen Gegenreden und Einwänden zum Trotz, verwahrte sie sich mit einer oberflächlichen „Basta“ Haltung. Auf Nachfrage, wie sich mein Freund in dieser Situation fühle, antwortete er gelassen: „Die sitzen wir aus…“ und zitierte hierzu ein arabisches Sprichwort:
„Setz dich an das Ufer des Wadi, und Du wirst die Leiche deines Feindes vorüberschwimmen sehen.“
Macht ist eine Droge.
Die geschilderte Situation des Freundes ist symptomatisch für das Verhalten von Führungskräften vielerorts. Vorgesetzte mit einem hohen Machtstreben, dem ein geringes Selbstbewusstsein zugrunde liegt, pflegen autoritäre Attitüden und zwanghaftes Kontrollbedürfnis. Misstrauisch – abwertend beurteilen sie die Leistungen und das Verhalten ihrer Untergebenen. Starke Mitarbeiter werden klein gehalten oder weg gebissen. Hinzu kommt: Auf viele Menschen wirkt Macht berauschend. Wie eine Droge. Verführt zum Missbrauch, verändert die Realitätswahrnehmung – und zuletzt den Charakter. Niemand kann von sich selbst behaupten er sei hiergegen völlig immun. Schade für die betroffenen Menschen, schade für die Produktivität des Bereichs und gefährlich für das Unternehmen, wenn sich zu viele dieser Persönlichkeiten in ihm fest setzen. Das Gute im Schlechten dabei ist aber: Solche Führungskräfte können sich nicht lange in ihrer Position halten. Sie isolieren sich selbst, gewinnen nicht die benötigte Akzeptanz, Loyalität und Rückhalt ihrer Mitarbeiter. Sie geraten so mit der Zeit in Isolation und ihr negativer Einfluss wird auffällig. Die intelligenteren dieser „Führungskräfte“ erkennen den richtigen Zeitpunkt für den Absprung, bevor sich das Unternehmen, quasi selbstreinigend, sich ihrer entledigt. Der bis dahin angerichtete Schaden ist vom Nachfolger zu beheben.
Immunisierung gegen Fehlbesetzungen.
Was wirkt solchen Fehlentwicklungen entgegen? Zunächst einmal eine professionelles Recruiting, das als vorgeschaltete Instanz die passende Personalie ausfindig macht. Ist ein solches nicht vorhanden, muss das Unternehmen über ein stabiles Immunsystem verfügen. Dieses etabliert sich auf drei Ebenen: Einer lebendigen, allseitig wirksamen Unternehmenskultur. Dem mutigen Eintreten eines jeden Mitarbeiters für die Elemente dieser Kultur. Dem Rollenverständnis und der Haltung, mit der die Führungskräfte die Unternehmenskultur umsetzen. Je tiefer diese drei Ebenen im Unternehmen verankert sind, umso höher ist der Grad der Immunisierung gegen missbräuchliche Verhaltensweisen Einzelner.
Was tun bei der Übernahme von Führungsverantwortung?
Die Befolgung folgender Regeln kann dazu beitragen, das Ihr Auftritt als neuer Vorgesetzter gelingt:
Üben Sie Zurückhaltung.
Nutzen Sie die ersten Monate nach Übernahme Ihrer Führungsposition zur Beobachtung und Wahrnehmung von Stimmen und Stimmungen. Vermeiden Sie gerade in der Anfangszeit die Einführung von Veränderungen „ohne Not“.
Zeigen Sie Respekt.
Nehmen Sie die bisherige Arbeit ihrer Mitarbeiter ernst. Nicht alles, was war oder ist, muss sich als falsch erweisen; im Gegenteil: Ihre Mitarbeiter bedienen ein System, welches bisher zweckdienlich war.
Pflegen Sie offene Kommunikation.
Geben Sie alle Informationen an Ihre Mitarbeiter, die diese brauchen, um ihren Job zu machen. Gehen Sie mit Ihren Mitarbeitern in`s Gespräch; fragen Sie sie, sie von Ihnen als Führungskraft erwarten.
Treffen Sie transparente Entscheidungen.
Gehen Sie Veränderungen behutsam an, nehmen Sie Ihre Mitarbeiter mit in`s Boot. Beziehen Sie sie in Entscheidungsprozesse mit ein. Nutzen Sie deren Wissen und Erfahrung. Selbst schmerzhafte Entscheidungen trägt die Belegschaft mit, wenn sie das Gefühl hat, gehört und beteiligt worden zu sein.
Zeigen Sie Kritikfähigkeit.
Fragen Sie nach, hören Sie zu. Verteidigen Sie sich nicht. Berechtigte Kritik nehmen Sie entgegen und setzen sie um. Räumen Sie bei sich Fehler ein, gestehen Sie Ihren Mitarbeitern Fehler zu.
Zuletzt:
Seien Sie tolerant.
„Toleranz ist der Verdacht, dass der andere Recht hat.“
Kurt Tucholsky